Leistungskultur
Die Entwicklung der Leistungsfähigkeit ihrer Schülerinnen und Schüler zu unterstützen, ist eine zentrale Aufgabe von Schule und Lehrkräften. Wie gut das gelingt, hängt wesentlich auch von den Formen ab, in denen Leistungen bewertet werden. Eine Bewertung ist dabei noch keine Benotung – und: Eine Benotung muss nicht zwangsläufig in Ziffern erfolgen. Leistungen können mit Bezug auf drei sehr unterschiedliche Maßstäbe beurteilt und gewürdigt werden:
1) Leistungen gemessen an einem inhaltlich bestimmten – möglichst objektiven – Kriterium (Lernziel; Blick auf das Lernziel);
2) Leistungen im Vergleich mit dem Durchschnitt der Alters- oder Lerngruppe (Rangplatz; Blick auf die Klasse);
3) Leistungen entwicklungsbezogen im Blick auf die besonderen Voraussetzungen und Fortschritte des einzelnen Kindes (Individuum; Blick auf das einzelne Kind).
Die These von der leistungsfördernden Wirkung von Noten ist ein Mythos (vgl. Faktencheck, Grundschulverband 2018). Die Hamburger LAU-Untersuchung konnte z. B. keinen Unterschied in Leistungen zwischen Klassen erkennen, die ohne oder die mit Noten unterrichtet wurden. Dabei sind Noten meist die einzigen und vermeintlich objektiven Kriterien, nach denen Bildungserfolg gemessen wird und Weichen für den Bildungsgang im selektiven Schulsystem gestellt werden. Trotz dieser Befunde und einer jahrzehntelangen pädagogischen Argumentation gegen Noten und gegen den Auslesedruck im mehrgliedrigen Schulsystem ist derzeit keine Änderung des Bewertungssystems in Sicht. Verschärfungen, die in den letzten Jahren erfolgten: a) Einschränkung des notenfreien Raums in den Eingangsklassen der Grundschule, b) durch zusätzliche Kopfnoten, c) durch benotete Vergleichsarbeiten, wurden zwar teilweise bzw. zeitweise zurückgenommen (wobei die Bundesländer aktuell uneinheitlich und teilweise gegensätzlich tendieren). Die These von der leistungsfördernden Wirkung von Noten ist ein Mythos (vgl. Faktencheck, Grundschulverband 2018).
Die Hamburger LAU-Untersuchung konnte z. B. keinen Unterschied in Leistungen zwischen Klassen erkennen, die ohne oder die mit Noten unterrichtet wurden. Dabei sind Noten meist die einzigen und vermeintlich objektiven Kriterien, nach denen Bildungserfolg gemessen wird und Weichen für den Bildungsgang im selektiven Schulsystem gestellt werden. Trotz dieser Befunde und einer jahrzehntelangen pädagogischen Argumentation gegen Noten und gegen den Auslesedruck im mehrgliedrigen Schulsystem ist derzeit keine Änderung des Bewertungssystems in Sicht. Verschärfungen, die in den letzten Jahren erfolgten: a) Einschränkung des notenfreien Raums in den Eingangsklassen der Grundschule, b) durch zusätzliche Kopfnoten, c) durch benotete Vergleichsarbeiten, wurden zwar teilweise bzw. zeitweise zurückgenommen (wobei die Bundesländer aktuell uneinheitlich und teilweise gegensätzlich tendieren).
Doch scheint das Zensurensystem weiterhin eine der Sackgassen zu sein, in denen sich das deutsche Schulwesen befindet, denn es konkurrieren zwei Funktionen von Leistungsbewertungen:
Die Entwicklungsfunktion zielt auf die bestmögliche Bildungsentwicklung der Schülerinnen und Schüler. Das bedeutet mit Blick auf jedes einzelne Kind: die individuellen Voraussetzungen und Entwicklungsmöglichkeiten berücksichtigen, erreichbare Ziele anstreben, zur Anstrengung ermutigen, Möglichkeiten eigenständigen Lernens stärken, dabei personale, sachbezogene und sozialbezogene Kompetenzen
Standpunkt Leistungskultur
fördern, individuelle Fortschritte würdigen und für die Kinder sichtbar machen.
Die Steuerungsfunktion zielt auf die innerschulische und nachschulische Auslese der Schülerinnen und Schüler. Das bedeutet: Entscheidungen über Versetzungen und Nichtversetzungen, über Schullaufbahnen, über Abschlussniveaus treffen. Die Steuerungsfunktion wird in der Wahrnehmung der Eltern und damit auch der Kinder immer dann offenkundig, wenn Noten vergeben und Leistungsspiegel veröffentlicht werden.
Pädagogisch hat die Entwicklungsfunktion Vorrang und ist im Unterricht jederzeit relevant. Leistungen müssen bewertet werden – und Schülerinnen und Schüler wollen auch Rückmeldungen. Diese können non-verbal, mündlich und schriftlich erfolgen. Sie vermitteln den Lernenden (möglichst zeitnah im Unterricht) eine Einschätzung ihrer Leistungen in Bezug auf die individuellen Voraussetzungen und Entwicklungen. Diese vermag nur die Lehrperson zu leisten, sie kann nicht durch Tests und Klausuren ersetzt werden. Beispiele der Dokumentation von Lernentwicklungen sind Lerntagebücher, Portfolios oder Beobachtungen / Entwicklungsberichte seitens der Lehrperson. Sie zu erstellen benötigt Zeit. Auch die Steuerungsfunktion durch Ziffernnoten (zumeist in Tests und Klausuren) ist bedeutsam – allerdings nur zu bestimmten Zeitpunkten und selten aufgrund pädagogischer Notwendigkeiten. Ziffernnoten erfassen temporäre Lernstände, die durch spezielle Rahmenbedingungen oder situativ gefärbt sein können und eben nicht eine Entwicklung aufzeigen. Zudem verdrängt ein Lernen um der Note willen das Lernen aus Sachinteresse; leistungsstarke Kinder, die ohne weitere Anstrengungen gute Noten erhalten, entwickeln ihre Kräfte zu wenig, leistungsschwächere Kinder werden auf Dauer mutlos. Das Lernen wird kurzfristig auf die Note in einer Klassenarbeit oder Klausur hin ausgerichtet.
Dies ist deshalb so wichtig auseinanderzuhalten, weil die beiden Funktionen nicht miteinander vereinbar sind: Die konkurrenzorientierte Steuerungsfunktion (in Hinblick auf das mehrgliedrige Schulsystem und interne Klassendifferenzen) setzt die Entwicklungsfunktion (in Hinblick auf die Voraussetzungen und Entwicklungen des einzelnen Kindes) außer Kraft. Bemühungen um individuelles, nachhaltiges und vernetztes Lernen werden durch Ziffern und Benotung behindert und sind auf Dauer vergeblich. Diese Effekte sind in allen Schulen aller Schulformen beobachtbar. Erfahrungen mit entwicklungsförderlichen Bewertungskonzepten liegen aus Reformschulen und aus anderen Ländern vor. Vorschläge für Alternativen sind in der pädagogischen Diskussion reichlich vorhanden – vom Grundschulverband unter dem Stichwort »Leistungen von Kindern wahrnehmen, würdigen und fördern« für die verschiedenen Lernbereiche und Jahrgänge der Primarstufe systematisiert in seinen Publikationen zur »Pädagogischen Leistungskultur«. Vergleichsstudien, die dem Monitoring der Bildungslandschaft dienen (Vera, Kermit, IGLU usw.) sind keine Instrumente der Rückmeldung für die Schülerinnen und Schüler und ersetzen keine Form der individuellen Rückmeldung und Leistungsbewertung.
Der Grundschulverband fordert