Mehrsprachigkeit von Kindern fördern
Sprachliche Kompetenzen sind ausschlaggebend für den Schulerfolg; sie bilden damit die Voraussetzung für eine gleichberechtigte Teilhabe aller Menschen am beruflichen und sozialen Leben in unserer Gesellschaft. Vision der Europäischen Union ist es, dass möglichst alle jungen Menschen außer ihrer Muttersprache noch mindestens zwei weitere Sprachen sprechen. Dieser Herausforderung stellt sich auch die Grundschule. Rund ein Drittel aller Grundschüler und Grundschülerinnen in den Großstädten sind mehrsprachig. In ihren Familien wird mindestens eine andere Sprache neben Deutsch gesprochen. Die mehrsprachig aufwachsenden Kinder verfügen über sprachliche Mittel in mehr als einer Sprache und sind kompetent in ihrer Gesamtsprachlichkeit. Viele Kinder schätzen ihre Mehrsprachigkeit als wichtige Fähigkeit, sie lernen und sprechen gern mehrere Sprachen. Das Ausschöpfen dieser Potenziale ist vor allem an gelingende Bedingungen sozialer Integration gebunden. Im Widerspruch dazu stehen gegenwärtig das Infragestellen des Mehrwerts der Erstsprache von Zuwanderern und eine gewisse Hilflosigkeit gegenüber der natürlichen Sprachenvielfalt in allen Bildungseinrichtungen. Immer noch gehören viele der Kinder mit Migrationshintergrund zu den Bildungsbenachteiligten, insbesondere bei zusätzlichen Faktoren sozioökonomischer Benachteiligung in den Familien (Bildungsbericht der Bundesregierung 2016). Mehrsprachigkeit wird vorschnell als einziger Grund für das Scheitern im deutschen Bildungssystem angeführt und Herkunftssprachen nicht als Ressource oder als förderungswürdig wahrgenommen.
Die Fähigkeit, Sprachen bei jeder Gelegenheit zu lernen, auf der Straße, aus den Medien, in alltäglichen Kommunikations
situationen, aber auch translinguale Kompetenzen – die auch positive Effekte auf das Erlernen neuer Sprachen zeigen – sind in der Schule ein bislang wenig beachtetes Potenzial. In Zusammenarbeit mit außerschulischen Institutionen und Akteuren stellen Schulen eine beachtliche Vielfalt von sprachlichen Lernangeboten, insbesondere zur Förderung von Kindern aus Familien mit Migrationshintergrund oder aus sozial benachteiligten Familien, bereit. Auch wenn die Bedeutung der Verkehrssprache Deutsch zeitweise im Vordergrund der Förderung stehen sollte, berücksichtigen die Angebote oder Sprachförderprogramme noch zu oft lediglich die Förderung der deutschen Sprache und nutzen weniger die sprachlichen Kompetenzen, die die Kinder in ihren Familien erworben haben. Förderprogramme zur durchgängigen Sprachbildung in allen Fächern beziehen dagegen neben den Erstsprachen der Kinder eine systematische Arbeit mit Eltern, mit Bibliotheken, Theatern und anderen Einrichtungen ein. Über die sprachliche Bereicherung hinaus, mit zwei oder mehreren Sprachen aufwachsen zu dürfen, werden über Sprache auch Werte, Traditionen und Verhaltensregeln vermittelt und wird Sicherheit im Umgang mit zwei oder mehreren kulturellen Sphären erworben. Interkulturelles Lernen stellt ein umfassendes Lernziel nicht nur für Zweitsprachlernerinnen und -lerner, sondern für die gesamte Lerngruppe im Hinblick auf das Zusammenleben in der Migrationsgesellschaft dar.