Grundschule in der Zeit der Corona-Pandemie

So viel Pädagogik wie möglich für so viele Kinder wie möglich

Grundschulverband über Schritte zur Öffnung der Grundschulen

Geht es nach den Bildungsministern, dann sollen alle Schüler zumindest tageweise unterrichtet wer-den. Der pädagogische Ausnahmezustand aber bleibt weiterhin bestehen. Ein „reguläres Unterrichtsgeschehen“ werde in diesem Halbjahr nicht mehr stattfinden, erläuterte KMK-Präsidentin Hubig. Demgegenüber sind Schulschließungen für viele Eltern inzwischen zu einer erheblichen Belastung geworden. Über 40 Prozent gaben kürzlich bei einer Umfrage der Vodafone-Stiftung an, dass es für sie schwierig sei, ihre Kinder beim Lernen zu unterstützen. Viele sehnen sich nach einem Ende des Unterrichts daheim. Gerade Eltern mit niedrigen Bildungsabschlüssen befürchten, dass ihre Kinder den Anschluss an das schulische Lernen und den „Schulstoff“ verlieren könnten. Am 28. April gab die KMK bekannt, dass sich die Kultus- und Schulminister im Grundsatz auf drei Kernpunkte für alle Schülerinnen und Schüler verständigt haben:

  • Eine schrittweise Rückkehr zum Präsenzunterricht wird angestrebt. 
  • Regulären Schulunterricht wird es bis zu den Sommerferien nicht mehr geben. 
  • Der Schulbesuch soll für wechselnde Lerngruppen tageweise oder im Wochenrhythmus organisiert werden.

Die Vereinbarungen definieren weder eine Verbindlichkeit für die Umsetzung noch ein einheitliches zeitliches Konzept. Diese Ausgangslage lässt Vieles offen und ermöglicht sowohl bundeslandbezogene als auch schulform- und schulstandortbezogene Lösungen. Nach Auffassung des Grundschulverbands ist das auch zwingend erforderlich, denn die Erfahrungen aus der Zeit der Schulschließungen zeigen eindeutig, dass Konzepte des Wiedereinstiegs auf das Alter der Kinder und damit auf altersbezogene Bedürfnisse ausgerichtet sein müssen.

Solange es keine gesicherten Informationen über die Ansteckungsgefahr für Kinder, aber auch durch Kinder gibt, muss das Ziel sein, Abstands- und Hygieneregeln als gesundheitssichernde Maßnahmen umzusetzen und soziale Kontakte in einem überschaubaren Rahmen zu halten.


Die Verantwortung der Kultusminister/innen der Länder ist es nicht nur, dem Gesundheitsschutz für Schulkinder und Lehrkräfte gerecht zu werden. Hinzu kommt die dringende Notwendigkeit, bessere Lernbedingungen für Kinder zu ermöglichen, die zuhause weder einen Arbeitsplatz noch die erforderliche Ausstattung und Ruhe für ihr Lernen haben.


Es ist dringend geboten, für die Grundschulen und ihre Kinder Lösungen für folgende, sich akut zuspitzende Problemlagen zu finden:

  • In den Grundschulen müssen genügend Präsenzplätze für Kinder angeboten werden, deren Eltern alleinerziehend sind oder die aufgrund ihrer beruflichen Anforderungen die Betreuungsaufgaben nicht länger ausreichend leisten können.
  • Grundschulen haben standortbezogen sehr unterschiedliche Bedingungen. Bei der Umsetzung der Präsenzzeiten können sie auf reiche Erfahrungen mit jahrgangsübergreifenden Lerngruppen, individualisierten Lernformen und inklusivem Unterricht zurückgreifen und diese für das Lernen
    in heterogenen Lerngruppen nutzen.

Der Grundschulverband empfiehlt:

 

  • Die schrittweise Öffnung der Grundschulen flexibel und nicht jahrgangsgebunden zu gestalten
    und unbedingt die Chance zu nutzen, alle Jahrgänge einzubeziehen.
  • Eine Strategie der schrittweisen Öffnung muss die Rechte und Bedürfnisse der Kinder und die Bedürfnisse, Nöte und Ängste von Eltern einbeziehen, um Konflikte um einen verordneten Schulbesuch in der Ausnahme- und Gefährdungssituation zu vermeiden.

Erforderlich ist ein pädagogisches Konzept, das die folgenden Aspekte berücksichtigt:

  1. Kinder erleben einen kontinuierlichen Kontakt zu ihrer Schule, der gleichzeitig das Lernen zuhause
    besser sichern kann.
  2. Raumkapazitäten und die Abstands- und Hygieneanforderungen erfordern kleinere Lerngruppen von maximal 8 bis 10 Kindern.
  3. Eine feste Zuordnung der Lehrkräfte zu jeweils einer Lerngruppe muss trotz des Lehrermangels umgesetzt werden, damit sowohl die Anzahl der Kontakte minimiert als auch verlässlich überschaubar gehalten wird, falls es zu Ansteckungen kommen sollte.
  4. Eine einseitige Priorisierung von Unterricht in Deutsch und Mathematik wird vermieden. Gerade während der Krise muss das besondere Potenzial der ästhetischen Bildung genutzt werden. Krisenbedingten Einschränkungen muss mit einem Mindestmaß an Möglichkeiten der ästhetischen Auseinandersetzung und Gestaltung begegnet werden. Musisch-künstlerische, forschende und sportliche Anforderungen und Vorhaben sind gerade in dieser Zeit wichtig.
  5. Klassenarbeiten, „Proben“ und Zeugnisse sind in der bisherigen Form bis zum Schuljahresende auszusetzen. Zeugnisse in der bisherigen Form zum Jahresende entbehren angesichts der Situation jeglicher pädagogischer Legitimation. An die Stelle von Noten können Berichte der Lehrer/innen
    als Rückmeldeform an die Schülerinnen und Schüler treten. Schüler/innen und Eltern sollten das Recht haben, die Berichte zu kommentieren und zu ergänzen. So entsteht ein lebendiger Dialog aller Beteiligten, der Selbstreflexion und Selbstwirksamkeit ermöglicht und die derzeitige krisenhafte Situation, insbesondere die häuslichen Situationen, berücksichtigen hilft.

Die Politik muss ehrlich informieren:
Die schrittweise Schulöffnung bedeutet eine bewusst erweiterte Ansteckungsgefahr, die für eine notwendigerweise zunehmende Immunität in der Bevölkerung auch unvermeidlich ist. Der Wiedereinstieg bei Kitas und Grundschulen stellt damit wahrscheinlich eines der größten Risiken dar, denn
es treffen täglich in einer Institution Kinder aus vielen Familien zusammen.

  1. Angesichts dieser Lage plädiert der Grundschulverband für eine Strategie, die die Präsenz für alle Kinder aufbauend gestaltet. Lerngruppen bilden: Kinder, die bisher in der „Notbetreuung“ sind, wechseln in Lerngruppen, zu
    denen Kinder hinzukommen, deren Eltern sich bewusst für den Schulbesuch entscheiden und denen das Risiko dieses Schritts bekannt ist.
  2. Zum Lernen einladen: Kinder, deren Lernbedingungen zuhause nicht gesichert sind, müssen vorrangig und gezielt zum Lernen in die Schule eingeladen werden. Die Schule organisiert Lerngruppen, in denen individualisiert und jahrgangsunabhängig gearbeitet wird. Es kann flexibel auf weiteren Präsenzbedarf reagiert werden. Ein gelingender Verlauf wird auch viele besorgte Eltern von der Teilnahme ihres Kindes am Unterricht in der Schule überzeugen.
  3. Regelmäßige Schulzeit sichern: Die Präsenzstundenanzahl muss nach den Bedingungen des jeweiligen Schulstandortes festgelegt werden. Der Grundschulverband empfiehlt für die Sicherung eines für junge Kinder überschaubaren und kontinuierlichen Kontakts ein Modell, das die Präsenz
    jeder Lerngruppe an jedem zweiten oder dritten Tag vorsieht.

 

Corona darf die Bildungsbenachteiligung nicht vertiefen:
Weitere, als notwendig erachtete organisatorische Schritte hat der Grundschulverband in seiner Pressemitteilung vom 10.04.2020 benannt:
https://grundschulverband.de/schulausfall-wiederoeffnung/

29. April 2020                                                                        V.i.S.d.P. Susanne Hirsch

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